Das Gespräch mit Christina Lobe wirkte lange nach. So vieles von dem, was sie zum Ausdruck brachte, berührte mein Herz und ging in Resonanz mit mir. Die Dankbarkeit und Demut gegenüber der Yogapraxis und das damit verbundene Geschenk, auf seine richtigen Lehrer zu treffen. Worin die Schlüssel für einen guten Yogaunterricht liegen und welche Unterschiede sich künftig in der Offline- und Onlinewelt abbilden werden.
Christina Lobe im Interview über die Kunst Yoga zu lehren

In früheren Tagen näherte sich ein Schüler seinem künftigen Lehrer mit der Frage „Bist du wirklich mein Lehrer?“ und der Lehrer fragte zurück „Bist du wirklich mein Schüler?“ Woran erkennt der Schüler, dass er den „richtigen“ Lehrer für seinen nächsten Abschnitt gefunden hat?
Bevor ich richtig tief ins Yoga eingetaucht bin, habe ich viele unterschiedliche Stile, Klassen und Lehrer ausprobiert. Bis zu dem Schlüsselmoment als ich spürte, dieser Lehrer spricht wirklich etwas in mir und meinem Herzen an. Ich fühlte mich aufgehoben, im Sinne von ich muss nicht anders sein. Ich wusste auf einmal, hier bin ich richtig und hier möchte ich bleiben. Ich wollte bei diesem einen Lehrer und der damit verbundenen Yogatradition ankommen und in die Tiefe gehen. Ich schätze mich sehr glücklich, dass ich diese Erfahrung machen durfte.
Können Lehrer und Schüler in der heutigen Yogawelt noch zusammenfinden?
Durch die immer größer werdende Angebotsvielfalt verbunden mit dem Trend der Sichtbarkeit im Netz, die sich in den letzten zwölf Monaten noch mal verstärkt hat, ist es für den Schüler wahrscheinlich schwerer geworden, seinen Lehrer zu finden. Dennoch bin ich mir ziemlich sicher, dass man irgendwann genau dort landet, wo man hingehört. Vielleicht braucht es jetzt nur den ein oder anderen Umweg durch den Angebotsdschungel. Aber die Erfahrungen, die man auf diesem Weg macht, sind sicherlich auch wichtig und sollen dazugehören.
Worin liegen die Vorteile, sich für eine gewisse Zeit festzulegen?
Für mich geht es viel weniger darum, mich nur auf einen Lehrer zu konzentrieren als vielmehr auf eine Tradition bzw. einen Yogastil. Erst wenn wir für eine längere Weile unsere Aufmerksamkeit in eine Sache reingeben, kann sich eine gewisse Wirkung und Tiefe entfalten. Beständigkeit, Geduld und ein aufrichtiges Interesse sind wichtige Qualitäten auf dem Yogaweg.
Worin siehst du deine Aufgabe als Yogalehrerin?
Für mich ist es wichtig, den Schüler zu inspirieren, zu begleiten und ihm nahezubringen, seine innewohnenden Qualitäten zu erkennen. Heutzutage, wo wir viel von außen übergestülpt bekommen, ist es ein großes Geschenk, wenn der Lehrer dazu einlädt, mehr und mehr in die Begegnung mit sich selbst zu gehen, den Blick immer wieder nach innen zu richten und daran zu erinnern, dass bereits alles da ist.
Was sind die Schlüssel für einen guten Yogaunterricht?
Natürlich braucht es Know-how und fachliche Kompetenz - beispielsweise wie ich eine Haltung richtig aufbaue und das Verständnis von Ausrichtung. Aber auch die Qualität der Sprache ist sehr wichtig. Eine Klasse ist eine Art Kunstwerk, in der sich viele Dinge miteinander verweben. Und je besser der Lehrer dieses Zusammenspiel beherrscht, desto mehr kann bei dem Schüler das Gefühl von Ganzheit entstehen.
Wird es bei Yogalehrern Unterschiede geben, die offline bzw. online ausgebildet wurden?
Ehrlich gesagt glaube ich schon, dass dies einen Unterschied machen wird. Ein wichtiger Punkt, der bei einem Online-Teacher-Training verloren geht, ist das Observieren und die Klasse aus verschiedenen Perspektiven ganzheitlich sehen lernen und individuell darauf einzugehen. Wenn ich mit den Schülern im Raum bin, kommen viel mehr meiner Sinne zum Einsatz und es entsteht eine Art Dialog zwischen Lehrer und Schüler. Nach meinem Empfinden geht online die Ganzheit von Yoga verloren. Die Zeit wird es zeigen.
Wie kompensierst du diese Faktoren in deinem Online-Ausbildungsangebot?
Solange es erlaubt ist, habe ich während der Ausbildung immer eine kleine Gruppe mit im Raum. Die anderen Schüler werden dazu geschaltet und damit sich diese jederzeit gut aufgehoben fühlen, gibt es innerhalb des Online-Raum ergänzende Assistenz, die beobachten und spiegeln, was noch angepasst werden muss. In sogenannten Breakout Rooms erfolgt eine intensive Betreuung und es werden Tools zum Nachbereiten an die Hand gegeben. Sofern möglich, empfehle ich während der Online-Ausbildung auch immer einige Male in Präsenz dabei zu sein.
Was möchtest du angehenden oder neuen Yogalehrern mitgeben?
Ich wünsche mir, dass die Wertschätzung und Demut der Praxis gegenüber wieder mehr in den Vordergrund rücken. Ein Yogalehrer sollte immer wieder seine Intention und sein tiefes Warum überprüfen. Warum will ich Yogalehrer werden? Was ist meine Mission? Was möchte ich zum Ausdruck bringen? Dieses Wissen ist am Ende auch der stabilisierende Anker, wenn die Außenwelt eine neue Richtung einschlägt, vor allem, wenn diese Veränderungen nicht gefallen.
Wenn der Yogalehrer Schatten spiegelt: Hast du damit Erfahrungen gemacht? Wie bist du damit umgegangen?
Ich habe schon häufig die Erfahrungen gemacht, dass ich triggere. Dann wird etwas auf einen drauf projiziert, was man weder ist noch sein möchte. Die ersten Male hat mich das sehr verletzt. Mit der Zeit bin ich auch an dieser Stelle reingewachsen und habe gelernt, dass ich in dem Moment nur ein Spiegel bin. Ich durfte mich darin üben, es beim Gegenüber stehenzulassen, großzügig und mitfühlend zu sein. Am Ende entscheidet der Schüler, wie er mit seinen Themen umgeht und ob er wiederkommen möchte.
An welchen Stellen bist du in den letzten zwölf Monaten gewachsen?
Das letzte Jahr hat mich wieder mehr zu meiner eigenen Praxis zurückgeführt. Asanas, Kontemplation, Meditation und Pranayama haben mir Halt gegeben. Ich habe bewusst beobachtet, was durch das aktuelle Weltgeschehen sichtbar wird. Eine Krise zeigt auch immer, wie und wo es nicht mehr weitergehen kann. Yoga gibt mir etwas an die Hand, um zu erkennen, wo es in meinem Leben Veränderungen braucht. Ich frage mich immer wieder „Was würde Yoga tun?“ Und ich habe mal wieder gelernt, dass es gut genug sein kann. Ich habe mein Yoga-Angebot angepasst und ich darf in Gelassenheit sagen, dass es genauso genug sein darf.
Möchtest du ein Schlüsselerlebnis teilen, welches du Dank deiner Lehrer erfahren durftest?
Was ich bis heute bei mir trage ist das Wissen, dass ich hier richtig bin. In der Zeit davor hatte ich immer wieder Gefühl, die anderen stimmen, aber ich bin fehl am Platz. Diese Umkehr war ein großes Erlebnis für mich. Ein anderer wichtiger Moment war, als ich verstanden habe, wie ich mit alten Themen in Frieden komme. Die Unabhängigkeit meiner Innenwelt von äußeren Umständen fällt auch mir nicht immer leicht. Dennoch erinnere ich mich immer wieder daran, wenn ich lieben möchte, dann kann mir das niemand nehmen. Wenn ich im Frieden mit mir sein möchte, dann kann ich das einfach tun.
Woran möchtest du die Menschen erinnern?
Aufrichtiges Interesse an seinem Inneren zu kultivieren und aus dieser Verbindung heraus ein größeres Bild zu wagen. Yoga kann nicht gewusst, sondern nur erfahren werden. Das Einlassen auf die eigene Gefühlswelt ist oft mit Angst verbunden, aber genau da liegt der Schlüssel verborgen. Was soll schon passieren? Alles ist da und es darf auch alles sein.
Christina ist Frau, Mutter, Freundin und mit Leib und Seele im Yoga verankert. Sie unterrichtet seit 2005 Anusara Yoga®, ist zertifizierte Anusara Yoga® Lehrerin und registrierte Yogalehrerin eRYT-500 Yoga Alliance. Die Basis ihres Unterrichts ist ein ausrichtungsbasierter Yogastil, den sie ergänzt mit Lehren aus der Tantrischen Philosophie. Ihr Bestreben ist, jedem Einzelnen seinen Wert aufzuzeigen und Wahrhaftigkeit und Transparenz zu leben und zu vermitteln.
Mehr über Christina: christinalobe.com
YOGA LEHREN Buch von Christina Lobe und Maren Brand
Fotos: Lena Fingerle

Für eine bessere Lesbarkeit: Mit Lehrer sind natürlich auch Lehrerinnen und mit Schüler auch Schülerinnen gemeint :-) Von Herzen danke für dein Verständnis!
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