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Yin Yoga & Hara


Der Geist ist nicht der wichtigste Teil für unsere Lebensenergie. Das ist so, als würde man eine Pflanze fragen, welcher Teil von ihr der Wichtigste sei. Und weil oben die Blüten sichtbar sind, würde sie sagen, die Blüten wären ihr wichtigster Teil. Doch so sehr diese auch das Wichtigste zu sein scheinen, sie sind es nicht. Ihr wichtigster Teil sind die Wurzeln – die unsichtbar sind. Wo liegen also die Wurzeln des Menschen? Ein Kind im Mutterleib ist über den Nabel mit der Lebensenergie verbunden. Von dort aus entwickeln sich die Wurzeln, später auch die Zweige und Blüten. Mit diesen Worten führt Osho in seinem Hara Buch zur Quelle der Lebenskraft ein. In der westlichen Welt wird der Bauch gerne mit der Verdauung verbunden. In den fernöstlichen Kreisen ist das Verständnis vom Bauch ein anderes. Was ist mit Hara gemeint und wie merke ich, ob ich in einem guten Kontakt mit meinem Hara bin? Wie kann ich das Hara stärken und welche Bedeutung bekommt es im Yin Yoga?


Katrin Knauth im Interview über Yin Yoga und die Verankerung im Hara



Woher stammt der Begriff Hara und was verbirgt sich dahinter?


Hara kommt aus dem japanischen und wird als Mitte, Schwerpunkt oder auch als das Energiezentrum im Bauch übersetzt. Es ist die Quelle unseres Lebens und gleichzeitig stellt es eine bestimmte Verfassung dar, in der wir in uns ruhen. Das Hara hat seinen Sitz im Innen des Bauchraums unterhalb des Nabels. Es steht für Erdung, Verwurzelung, Stabilität und Vertrauen. In der fernöstlichen Kampfkunst ist es der Ort der Konzentration, von dem aus man in die Kraft und Bewegung geht.


Wie waren deine ersten Begegnungen mit dem Hara?


Meine erste Begegnung hatte ich in meiner ersten Yogalehrerausbildung. Hier hatten wir das Buch „Hara“ von Karlfried Graf Dürckheim auf der Literaturliste. Damals erschien mir der Begriff noch sehr abstrakt und das Buch eher zäh. Ein zweites Mal kam ich bei Sarah Powers damit in Kontakt. Für sie ist das Hara ein Ort, mit dem man sich jederzeit mit dem Bewusstsein verbinden und verankern kann. Eine weitere wichtige Erfahrung mit dem Hara hatte ich auf meinen Japan-Reisen. Die Japaner sind unglaublich in sich ruhend und gelassen. In dieser Zeit wurde das Abstrakte für mich immer zugänglicher.



Wie merke ich, dass ich im guten Kontakt mit meinem Hara stehe?


Das kann man gut daran festmachen, wie stark man sich von der emotionalen und mentalen Ebene beeinflussen lässt. Wenn ich gut mit meinem Hara verbunden bin, reißt mich das weniger aus meiner Mitte bzw. komme ich recht zügig wieder zur Ruhe und Stabilität zurück. Das heißt nicht, dass ich emotionslos bin oder keine wilden Gedanken mehr habe. Es geht um eine Form des Bewusstseins und wie ich mit den Herausforderungen des Lebens umgehe. Auch in der Yogapraxis ist die Aufmerksamkeit auf das Hara von Bedeutung. Es hilft mir zu balancieren, schwierigere Stellungen zu meistern oder in Haltungen eine längere Zeit zu verweilen - und letztendlich meinen unruhigen Geist an einem Ort in mir selbst zu verankern.



Wie kann ich die Kräfte (neu) kultivieren und mein Hara stärken?


Das Bewusstsein ist der erste wichtige Schritt. Daraus ergeben sich verschiedene Möglichkeiten: Ich kann meine Handflächen aneinander reiben, diese auf den unteren Bauch legen und gleichmäßig in mein Hara atmen. In der Meditation bzw. im Yoga kann ich meinen inneren Fokus auf das Hara lenken und den Atem in Richtung der weichen Bauchdecke strömen lassen. Affirmationen können sein: Möge ich innerlich ausgeglichen und verankert sein. Möge ich sicher und genährt sein. Außerdem gibt es spezielle Hara-Massagen, um angestaute Energien wieder in den Fluss zu bringen. Im Kleinen auch gerne schauen, dass man nicht zu enge Kleidung trägt oder zu kalt isst. Mit dem Hara ist unser Wissen aus dem Bauch heraus verbunden. Dem gilt es immer wieder Raum zu geben und Fragen zu reflektieren wie:

  • Wie steht es um meine Selbstfürsorge?

  • Wie gut bin ich genährt?

  • Wie viel Zeit nehme ich mir für mich?

  • Wie ausgeglichen fühle ich mich?

  • Wie stehe ich in Kontakt zu mir?



Stichwort Bauchgefühl: Wie kann ich mich mit meiner Intuition verbinden?


Wenn wir davon ausgehen, dass das intuitive Wissen in unserem Bauch gespeichert ist, können wir lernen, unserer eigenen Stimme im Innen, unserem Bauchgefühl zu folgen.

Wie stark man daran angebunden ist, hängt auch hier vom eigenen Bewusstsein ab. Um vom Geist wieder mehr mit seiner Intuition in Kontakt zu kommen, darf man sich an seinen eigenen Erfahrungen orientieren und sich selbst wieder mehr Vertrauen schenken. Am Ende ist es ein sowohl als auch – den gesunden Menschenverstand und das Wissen aus dem Bauch heraus miteinander in Harmonie zu bringen.


Welche Bedeutung bekommt das Hara im Yin Yoga?


Yin Yoga ist eine gute Möglichkeit, um mit den Qualitäten des Hara in Kontakt zu kommen. Während der Yin Praxis wird der Körper still und im Gegensatz dazu kann es im Geist sehr dynamisch werden. Für die mentale Ebene ist das Hara ein Ort, an dem man jederzeit landen und sich sammeln kann. Eine weitere Möglichkeit ist Yin Yoga mit einem Pranayama zu verbinden, was das Nervensystem beruhigen kann. Dabei legt man die Handflächen auf den Bauch und atmet gleichmäßig und tief in den Bauch. Mit der Lenkung der Energie auf die Körpermitte kann ich neben der körperlichen auch die mentale Ebene in die Stille bringen. Auf der physischen Ebene sind es im Speziellen erdende Haltungen, die die Körpervorseite und den Bereich der Hüfte ansteuern. Hierfür eignen sich das Element Erde stimulierende Yin-Positionen wie der Steg, der Sattel, der Drachen und die Sphinx.



Woran möchtest du die Menschen erinnern?


Für mich ist Selbstfürsorge sehr wichtig. Wenn wir wissen, was uns guttut, sind wir auf direktem Weg ins Hara. Wenn mein Selbst gut „gefüllt“ ist, kann ich von da aus nach außen gehen und auf mein Umfeld und meine Mitmenschen ausbreiten.


Katrins Yogareise begann vor etwa 20 Jahren. Ihre große Leidenschaft gilt dem Yin Yoga und die tiefe, innere Erfahrung, die diese ruhige Praxis ermöglicht. Auf ihrem Weg wurde sie inspiriert von Sarah und Ty Powers, Bernie Clark, Josh Summers, Jo Phee und Tias Little, bei denen sie insgesamt mehr als 800 Stunden Yin Yoga und Meditations-Trainings absolviert hat. Ihre Yin-Klassen sind von Herzlichkeit und Klarheit geprägt. Sie ist Mutter von zwei wunderbaren Töchtern und liebt es, in der Natur zu sein, zu wandern, zu reisen und sich in Bücher zu vertiefen. Als großer Asien-Fan gilt ihr Interesse besonders den fernöstlichen Kulturen und Traditionen.


Mehr über Katrin Knauth: yogaelements.de

Fotos: Lidia Tirri



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